Live-Ticker: Ein Tag ohne Smartphone

Washington (die Stadt, nicht George): „Mr. President, wir haben eine Situation. Bestätigten Berichten zufolge hat Daniel R. sein Smartphone vergessen.“ … Hamburg: Ja, es stimmt. Ich habe mein HTC daheim liegen lassen. Ich. ICH! Ob und wie ich diesen Tag überstehe, werde ich mit diesem Live-Ticker festhalten. Versteht es als psychologische wie soziale Feldstudie eines Digitalos, der eigentlich mit seinem Device verwachsen ist.

22:53 Uhr: Das Fazit: Ich kann ohne Smartphone, will aber nicht. Ich brauche – wie bei vielen anderen Dingen auch – die Wahl, sie zu tun, zu lassen oder aber die Optionen neu auszuloten und zu brechen, wie ich es für richtig halte. In einem Korsett zu verweilen, das ist wirklich nicht meins.

22:51 Uhr: Die Bilanz: Alles, was ich an Mails, Tweets und Facebook-Updates mit dem Laptop abwickeln konnte, juckt nicht. Nur die acht (WTF!?) verpassten Anrufe und vier SMS sind mir etwas zu viel. Normalerweise ist das meine Wochenration an Anrufen.

22:37 Uhr: Ein gemeinsames Kochen mit Freunden sowie einen Agenturkinoabend mit „Fight Club“ später komme ich daheim an. Mein Smartphone liegt dort, wo ich es zurückließ. Das kleine Lämpchen, das mich auf eingegangene Updates und Mails hinweist, scheint schneller zu blinken, als sonst. So, wie ein Hund, der freudig mit der Rute wedelt, wenn Herrchen oder Frauchen wieder da ist.

17:44 Uhr: War ja klar. Mich ruft nie jemand an, nur heute, da klingelt es mehrfach. Zumindest schließe ich von den „Ruf mal zurück“-Mails, die in meinem Postfach landen, darauf.

16:20 Uhr: Grabe mich nun mit Arbeit ein. Viel Texten, Recherche, … Vermisse meine kleine Informationskrücke nun kaum.

13:56 Uhr: Die Mittagspause. Eine ganz bittere Erfahrung. Weg vom Laptop. Kein Netz. Keine Kommunikationsmöglichkeit. Ich spüre förmlich, wie meine Mayorships auf Foursquare angegriffen werden, ohne das ich dagegenhalten kann. Es nagt. Meine Versuche das Personal beim Bäcker um die Ecke anzusprechen scheiterten fast kläglich. Niemand reagierte auf meine Mentions. Hallo, @baecker? #omnomnomnom? Nichts. Zum Glück half mir die Kollegin weiter. Was mich wunderte: Ich fand den Weg ohne Maps. Hin und zurück! Crazy. Der Reflex mein Essen fotografieren zu wollen wurde zum Glück durch die wenig ansprechende Optik meiner Speise per se unterdrückt. Aber … hätte ich gewollt, ich hätte nicht gekonnt.

12:31 Uhr: Mein Leid macht die Runde. Okay, ich habe auch ein wenig via Twitter und Facebook darum gebettelt. Ohne ist es einfach anders. Unter den Rückmeldungen: Die Leidensgeschichte von Björn.

12:21 Uhr: „Wie konntest du nur dein Telefon vergessen?“ holt auf, kann „Ausgerechnet du hast dein Smartphone nicht dabei?“ aber noch nicht das Wasser reichen. Ich mag meine Kollegen. Ganz doll sogar. Meistens. Der Schaden. Der Spott. Hurz.

11:35 Uhr: Der Versuch mich mit Arbeit abzulenken funktioniert ganz gut. Zum Glück habe ich hier Netzzugriff. Wäre mir das gestern auf dem Weg nach Salzgitter passiert … Katastrophe.

10:36 Uhr: Erste Beileidsbekundungen und Aufmunterungsversuche aus meinem Social Graph erreichen mich, während der Kollege mit traurigem Blick an meinem Tisch vorbeischleicht.

10:32 Uhr: Das Schlimmste an der Situation. Sie ist unfreiwillig. Normalerweise kann ich auch ein paar Stunden ohne Device. Aber das ist dann gewollt. Klingt komisch, ist aber tatsächlich so. Manchmal. Okay, eher selten. Aber ich könnte, wenn es sein muss.

09:47 Uhr: Ich komme in den Arbeitsrhythmus für den Tag, kann die Lücke aber noch nicht vergessen, die da klafft. Dann merke ich: In der letzten Woche haben mich nur drei Leute angerufen. Das Telefonieren, meine Hass-Kommunikationsform, da so disruptiv, vermisse ich zumindest nicht. Alles andere kann ich im Netz abdecken. Schätze ich.

09:16 Uhr: Ankunft in der Agentur. Wieder der routinierte Griff zur Innentasche. Einchecken via Foursquare. Nein, heute muss es die mobile Site richten. Zumindest habe ich jetzt mit dem Laptop/Rechner Zugriff auf das Netz. Die Anspannung fällt ab.

09:08 Uhr: Ob mich schon jemand in meiner Twitter-Timeline vermisst? In der Früh zwitscherte ich noch ganz fidel mit meinen Leuten. Und nun bin ich schon seit über einer Stunde still. Ich merke, wie mir die morgendliche Dosis Nachrichten und Updates fehlt. Ich gestehe: Ich bin ein Informationsjunkie, hänge quasi an der News-Nadel.

08:58 Uhr: Ich überlege umzukehren. Ich bin doch eh schon zu spät. Da machen die 20 Minuten mehr doch keinen Unterschied mehr. Dann verwerfe ich den Gedanken wieder.

08:56 Uhr: Die U3 Richtung Arbeit setzt sich in Bewegung. Der Griff geht in die Sakko-Innentasche … und greift ins Leere. Das Adrenalin strömt durch meine Adern. Kann es wirklich sein? Habe ich etwa …? Griff in die andere Tasche. Auch nichts. Die Gedanken rasen. Der Wohnzimmertisch! Ist die übliche Routine einmal durchbrochen, nimmt das Übel seinen Lauf.

08:47 Uhr: Ich bin zu spät dran. Um 9 Uhr soll ich im Büro sein. Jetzt erst verlasse ich das Haus. Dass etwas nicht stimmt, merke ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

7 Kommentare

  1. Wäre mir neulich auch fast passiert. Habe es aber noch gemerkt, bevor ich in die U2 eingestiegen bin. Ich Junkie bin nochmal nach Hause gegangen 😉

    1. Ich war einfach schon zu weit weg. Wäre es mir auf dem Weg zur U-Bahn aufgefallen. Ich wäre umgekehrt. Aber so war der Zug – wortwörtlich – schon abgefahren 😦

  2. Mann, Mann, Mann!
    Junkies, Ihr!

    Die Welt dreht sich weiter, Ihr verpasst nicht wirklich was und könnt einfach mal wieder aus dem Fenster in den Schnee oder dem Menschen gegenüber in die Augen schauen – ist das nix!?

    Wenns Euch fertigmacht, empfehle ich 1 Tag pro Woche ohne – als Therapie! Echt jetzt. 😉

    Wohlgemeinte, sehr herzliche und ein wenig kopfschüttelnde Grüße
    von Bettina

    1. Augenkontakt ist was Feines. Konversation auch. Aber ich mag mich auch einmal davon abkapseln. Ebenso bewusst, wie ich gezielt Menschen anspreche. Es geht auch ohne, aber ich mag gerne die Entscheidungshoheit darüber bewahren.

      Wenn auch nur, um das Device mit einem Lächeln in der Tasche verweilen zu lassen, während ich eine gute Zeit habe. Das geht alles 😉

  3. Die Wahl haben zu können ist immer gut und wichtig, ja.

    Andererseits ists so eine wunderbare Übung im sich-fügen-können, loslassen-können und sein „ich will aber!!!“ zu hinterfragen 😉

  4. Das klingt wirklich übel – zeigt aber auch, wie sehr wir uns von den Gadgets abhängig machen.

    Weil ich ein Nexus 4 (privat) und einen BlackBerry (dienstlich) nutze, ist die Wahrscheinlichkeit Gott sei Dank gering, dass ich beides daheim liegen lasse 🙂

    1. Es ist mehr die unglaubliche schnelle Angewöhnung dieses kleinen Alleskönners in der Tasche. Das meiste kann auch via Laptop und Co. abgedeckt werden, aber es ist weitaus weniger bequem 😦

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