In eigener Sache: Ich im Bachelor-Interview über Blogger Relations

Letzte Woche habe ich von Anika Hering die charmante Anfrage erhalten, ob ich ihr für ihre Bachelorthesis unter dem Titel „Blogger Relations: Sind Weblog-Betreiber für die Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen erreichbar? – Eine empirische Analyse“ nicht ein paar Fragen beantworten könnte. Und da ich noch aus meiner Studienzeit weiß, wie sehr man sich freut, wenn für die Abschlussarbeit die gewünschten Gesprächspartner zu kriegen sind, habe ich mich gerne bereit erklärt zu helfen. Herausgekommen ist ein Interview rund um Blogger Relations, den Stand der Blogosphäre als solcher und dem, was machbar ist.

Meine Ausführungen gibt es mit Anikas Einverständnis (und Dank ihrem Transkript) hier in modifizierter „gekürzter“ Form.

Was unterscheidet Weblogs von klassischen Medien? Was Blogger von Journalisten?

Lass‘ mich bei den Personen anfangen. Journalisten genießen im Idealfall über ihr Studium und bzw. oder auch das Volontariat eine Grundausbildung, was die Aufbereitung von Informationen betrifft. Das Abhandeln der W-Fragen und die medial sinnvollste Umsetzung dessen, damit jeder etwas damit anfangen kann. Gemäß ihrem Medium versuchen Journalisten die Wirklichkeit so objektiv wie möglich abzubilden, sodass sich jeder aus diesen vielfältigen Informationen ein eigenes Bild der Welt und eine Meinung bilden kann. Blogger hingegen haben nicht diesen klar definierten „Auftrag“. Sie können ganz subjektiv bleiben und ihre persönliche Meinung einbringen. Doch bei aller Anstrengung objektiv zu bleiben ist jede Weitergabe von Informationen durch Journalisten doch mit einer Meinung gefärbt. Das kann sich durch die Darstellung von Sachverhalten ausdrücken oder durch den nuancierten Einsatz von Adjektiven. Journalisten haben für das Einbringen ihrer Meinung nur Kolumnen, Glossen oder Kommentare zur Verfügung, um sich auszutoben. Blogger sind in Stil und Themenwahl komplett frei. Jeder einzelne Blogpost kann und darf ein Kommentar sein. Und fixe Zeichenzahlen für die Länge eines Beitrags gibt es für sie ebenso wenig wie Begrenzungen, welche Zusatzmedien sie als Audio, Video, Grafik oder Präsentation einbinden.

Wie schätzt du die aktuelle Situation ein, wie Blogger Relations in Deutschland betrieben werden?

Das ist von Branche zu Branche unterschiedlich. Wenn man zum Beispiel in den Bereich Mode oder Automotive schaut, dann sieht man sehr stark, dass sich Unternehmen und Marken mittlerweile darauf einlassen, um mit Bloggern in Kontakt zu kommen und diesen Kontakt auch zu fördern. Man hat erkannt, dass man neue Zielgruppen auf eine sehr ansprechende Art und Weise erreichen kann. Gerade im Modebereich hat man in den letzten zwei, drei Jahren eine unglaublich interessante Entwicklung beobachten können, da erfolgreiche Modelblogger wie zum Beispiel die beiden Betreiberinnen von twoforfashion oder Les Mads, die sich durch ihre Leidenschaft und ihren Enthusiasmus eine Bühne aufgebaut haben, die eine große Leserschaft anzieht. Leser, die für die Labels als Trendsetter, Early Adopter und natürlich auch Käufer sehr interessant sind. Sie erreicht man am besten, indem die einflussreichen Blogger hofiert werden. Und so landen sie bei den großen Schauen und Events in der ersten Reihe und Backstage, um sofort berichten und Trends anteasern zu können.

Im Automotive-Bereich merkt man auch mehr und mehr, dass die Hersteller Blogger einladen, um Modelle nochmal einer anderen Zielgruppe zu präsentieren. Auto-Blogger haben eine extreme Leidenschaft. Da werden technische Details bis ins kleineste Fitzelchen auseinandergenommen, über mehrere Beiträge hinweg ein Auto und seine Vorzüge wie auch negativen Aspekte besprochen. Klassischer Journalismus rund ums Auto kann da kaum mithalten. Da wird hier und da mit einem zusätzlichen Link gearbeitet, der mehr Infos bereithalten kann, aber das erreicht nicht den Facettenreichtum, den ein Blog liefert. Deswegen versuchen die Hersteller auf dem Weg „Blogger“ neue Zielgruppen anzusprechen.

Wo liegen Vorteile und Chancen der Blogger Relations? Wo siehst du Schwierigkeiten?

Das größte Problem, das Unternehmen im Umgang mit Blogger Relations haben, ist die Einordnung des Ansprechpartners am anderen Ende. Noch immer gilt der Kernsatz „Blogger sind keine Journalisten“. Blogger schreiben eher selten für Geld respektive einen Betrag, den man als angemessene Bezahlung verstehen könnte. Sie haben alle einen regulären Job und nehmen sich für ihre Leidenschaft Blogging die dafür nötige Zeit. Wenn sie ein Thema wirklich interessiert, dann schreiben sie auch darüber und können auch sehr bohrende Fragen stellen. Darüber hinaus müssen sie sich nicht, wie schon erwähnt, an journalistische Standards halten. Das macht es für viele Unternehmen schwer einen Mittelweg zu finden, wie man die Blogger eigentlich „richtig anpacken“ müsste. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass es hilft, Journalisten wie auch Blogger gleichermaßen mit Respekt, Anstand und Würde zu behandeln. Beide können für mich extrem wichtige Multiplikatoren sein. Da verscherze ich es mir doch nicht, indem ich den einen bevorzugt behandle und den anderen abwimmle. Es ist nicht mehr so, dass man einfach sagen könnte, Journalisten sind nach wie vor wichtiger als Online-Medien oder Onliner an sich.

Siehst du Risiken, wenn Unternehmen Blogger Relations betreiben?

Die Freiheit der Blogger ist der größte Stolperstein für Unternehmen. Mit etwas Glück und Geschick hat man als Pressesprecher über Jahre hinweg Kontakte zu Journalisten aufgebaut. Man kennt seine Leute und weiß, wem man welche Information zuspielen muss, damit daraus ein Artikel entsteht. Das sind eingespielte Prozesse. Blogger sind in diesem Sinne für die Unternehmen noch Neuland. Da macht man Fehler in der ersten Ansprache, wenn man einfach aus den klassischen Denkmustern heraus agiert und meint, dass man sie wie Journalisten handhaben könne. Sperrfristen zum Beispiel sind ein aussterbendes Mittel, um Informationen einen künstlichen Hauch von Exklusivität und Relevanz zu geben. Journalisten halten sich, je nach Qualität des Kontakts, noch aus kollegialer Verbundenheit zuweilen an diese „Bitte“ nicht sofort alles zu publizieren. Blogger haben keine Notwendigkeit dafür. Wenn sie sagen „Die Informationen finde ich so gut, die hau ich einfach jetzt schon raus“, dann kann das eine komplett durchgeplante Kommunikationsstrategie unterlaufen und wochenlange Planungen wandern in den Papierkorb. Wenn ein Blogger anfängt zu berichten, dann ist die Information draußen und somit ist es für andere Medien nicht mehr in der angedachten exklusiven Form interessant, als dass sie auch noch warten müssten. Eine normale Kettenreaktion folgt.

Und ansonsten kann man es sich als Unternehmen natürlich auch mit, salopp gesagt, mal mehr, mal weniger wichtigen Bloggern verscherzen, indem man sich nur mit klassischen Medien austauschen will. Jetzt darüber zu diskutieren, wie klassische Medien heute noch definiert werden, wäre müßig. Die Abnehmer wollen dort bedient werden, wo ihre Informationsflüsse und Aufmerksamkeitsströme fließen. So werden Blogs in puncto Reichweite und Bedeutung teils noch stark unterschätzt, da die Mechanismen der Blogosphäre und des vormedialen Raums erst dann wirklich ersichtlich werden, wenn man ein Teil davon wird. Im Idealfall bloggt der Ansprechpartner auf Unternehmensseite selber oder weiß zumindest, was es bedeutet im Netz zu publizieren.

Welche Bloggertypen sind für Unternehmen erreichbar und welche nicht? Und woran erkennen sie diese?

Im Grunde gibt es – stark runtergebrochen – vier Kerntypologien an Bloggern. „Emotionals“, die Bloggen auf einer sehr emotionalen und persönlichen Ebene betreiben und im Schreiben auch ein wenig therapeutische Aufbereitung zum Ordnen von Gedanken finden. Dann gibt es noch die „Obsessives“, die ihre Leidenschaft für ein Thema zum Fokus ihres Blogs gemacht haben und nun darüber schreiben. Ihnen verdanken wir die vielen Facetten der Blogosphäre für Politik, Travel, Food, Mode, Sport, Automotive, Technik, D.I.Y. und Konsorten, die mit der Zeit einen Experten- und Influencer-Status erreichen. Die „Professionals“ gehen aus einer sehr fachlichen Perspektive an die Sache, um sich teils auch mit journalistischer Handhabe ihren (medienlastigen) Themen anzunähern. Und die Nummer Vier bilden die Corporate Blogs. Sie sind Kunstwesen, da mit einer „Wunsch-DNS“ kreiert werden.

Die Typologien, die Unternehmen erreichen möchten, sind primär die „Obsessives“, die Botschaften im Idealfall durch ihre Leidenschaft in die Community hinaustragen. „Professionals“ werden ob ihres Status und ihrer etwaige Reichweite gesucht. Wie man diese nun erreichen kann? Mit sehr, sehr viel aufwändiger Recherche. Wenn ich Blogger Relations betreiben möchte, dann muss ich definitiv sehr viel Zeit, Mühe und Nerven einplanen. Ich muss mich zuerst in die Blogs aus meiner Sparte einarbeiten und herausbekommen, wer wichtig ist und wer nicht. Das funktioniert zum Teil über Messinstrumente, die mir Page Rank, Traffic und ähnliche statistische Werte ausspucken. Das kann man machen, ist für mich aber eine sehr unliebsame Methode, weil es nicht die genauen Beziehungsgeflechte wiedergeben kann. Nur, weil sich etwas in Zahlen ausdrücken lässt, heißt das nicht, dass die wirkliche Bedeutung damit vermittelt werden kann. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, mit wem man es zu tun hat und wie wichtig derjenige wirklich sein kann, muss man sich mit dem Gegenüber auseinandersetzen. Im Gespräch auf einer Konferenz nehme ich mir schließlich auch die Zeit für meinen Konversationspartner.

Wie lassen sich Blogger Relations in die klassische Pressearbeit von Unternehmen integrieren?

Wenn es nach Mike Schnorr geht, gar nicht, weil Blogger Relations seiner Aussage nach überschätzt bzw. falsch verstanden sind. Ich sehe es als eine Herausforderung, da man überlegen muss, welche Informationen ich Bloggern, die nicht journalistisch unterwegs sind, an die Hand geben, ohne dass ich davon ausgehen muss, dass mir das um die Ohren fliegt. Wie gesagt, Journalisten ticken anders als Blogger, da müssen Unternehmen zuerst herausfinden, wie sie wen anpacken müssen, um das in ihre Kommunikationsarbeit wieder mit einfließen lassen zu können.

Bei Journalisten kann ich meine Kontakte anrufen und mal kurz fragen, ob ein Thema in ihren Redaktionsplan der nächsten Wochen passt. Dann wissen sie oftmals schon, ob man im Plan ist und fragen eventuell nach mehr Informationen. Blogger haben in der Regel eher selten einen weitreichenden Redaktionsplan, der über zwei oder drei Wochen hinweggeht. Wenn man vernünftig nachfragt, ob ein Thema interessant ist, weil man über ein funktionierendes Monitoring mitbekommen hat, dass der Blogger schon mal darüber geschrieben hat, sagt dieser entweder „Ja, interessiert mich.“ oder auch „Nein, lass mich in Ruhe.“

Welchen Stellenwert sollten Blogger Relations deiner Meinung nach im Rahmen der Unternehmenskommunikation einnehmen?

Den Stellenwert, den Online-Kommunikation an sich einnehmen sollte. Das sollte man eigentlich gleichsetzen. Wenn Unternehmen im Online-Bereich eine sehr viel stärkere Vernetzung und Aufmerksamkeit generieren möchten, dann müssen sie Blogger- und Online-Relations auf ihrer Prioritätenliste nach oben ziehen, was den Aufwand betrifft. Zu sagen „Dieses Social Media und dieses Internet, das geht schon wieder weg“ ist ein schöner Trugschluss, der immer noch unterwegs ist. Ich muss einfach erkennen, ob es mir etwas Wert oder nicht. Da gibt es aber auch kein Patentrezept. Wenn es dem Unternehmen wichtig ist, wenn es sich online wirklich einbringen möchte, dann muss es auch die entsprechenden Ressourcen hineinstecken: Zeit, Nerven und Geld. Wenn es sagt „Das juckt mich alles nicht“, dann kann ein Unternehmen die Anstrengungen auf eigene Gefahr auch schleifen lassen. Es gilt, dass man das, was man hineinsteckt, auch wieder herausbekommt. Wenn ich nichts investiere, kann ich mich nicht später beschweren, dass keiner reagiert. Dessen muss man sich klar sein.

Was müssen Unternehmen vor der Ansprache von Bloggern beachten? Was sind dabei Erfolgsfaktoren?

An oberster Stelle steht die Recherche, damit ich weiß, mit wem ich spreche, was seine Themen sind und worüber dieser jemand schreibt. Wichtig ist dabei tief in die Blogs und den jeweiligen Autor einzusteigen. Nicht einfach die letzten zwei Artikel lesen und denken, dass das hinhauen könnte, sondern wirklich die letzten zehn oder 15 Artikel durchlesen. Im Blog auch mal selber nach Stichworten mithilfe der Suchfunktion suchen. So sieht man, ob ein Beitrag über die eigene Branche nur ein einmaliger Ausrutscher war oder ob es doch eher System hat. Vielleicht ist gar ein engagierter Fan, der viel Herzblut in meine Themen steckt. Ich muss mir vorab ein sehr genaues Bild davon machen, mit wem ich es denn eigentlich zu tun habe.

Sehr wichtig ist außerdem die richtige Ansprache, also auf den Namen zu achten. Da sind Blogger sehr penibel. Im Grunde ist da jeder Mensch sehr eigen. Der Name ist das Wichtigste und das Persönlichste, was wir haben. Wenn ich meinen Namen schon in der ersten Zeile der Ansprache falsch geschrieben sehe, dann beginnt es im Kopf schon zu arbeiten, ob und wie viel Mühe man sich da gegeben hat. Im schlimmsten Fall habe ich kein weiteres Interesse daran mich weiter mit denen auseinander zu setzen und bin weg. Das klingt nach einer Kleinigkeit, aber es kommt im Grunde auf alles an, was den zwischenmenschlichen Kontakt ausmacht: Anstand, Respekt, Höflichkeit, Demut. Wenn man sich dann erst einmal kennengelernt hat, dann weiß man, wie der oder die andere tickt. Und dann lassen sich Kontakte wunderbar pflegen.

Duzen oder Siezen? Kann man das pauschal sagen oder woran erkennen Unternehmen, was die richtige Ansprache ist?

Je nach Recherche erkenne ich sehr schnell, welchen Ton mein Ansprechpartner auf Bloggerseite pflegt. Daraus kann ich ableiten, ob ein „du“ angebracht ist oder ob man nicht doch besser beim „Sie“ bleibt. Natürlich spielt auch das Unternehmen bzw. die Marke, für die ich die Ansprache treffe, eine Rolle. Einer Versicherung oder auch Bank steht das „Sie“ in der externen Kommunikation einfach aus purer Gewohnheit besser zu Gesicht. Marken aus dem Convenience-Segment können sich das „Du“ schon eher leisten. Und sollte für die Ansprache eine Agentur dazwischengeschaltet sein, die über Blogger oder mit der Blogosphäre vertraute Kräfte verfügt, dann ist das auch noch eine weitere Facette, die zum Tragen kommt.

Über welche Kanäle erreicht man Blogger als Unternehmen am besten?

Per E-Mail, Kommentar im Blog, Facebook oder auch Twitter. Wenn die Blogs über ein Impressum verfügen, dann ist oftmals auch eine E-Mail-Adresse hinterlegt, über die man die Autoren erreicht. Beim genauen Blick ins Blog im Rahmen der Recherche sehe ich auch, ob der oder die Autoren auch auf Twitter oder Facebook unterwegs sind. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass die wenigsten Blogger ein Problem damit haben, wenn man sie auch über einen dieser Kanäle antickert. Es spricht schließlich für die Ernsthaftigkeit eines Unternehmens Kontakt aufzunehmen, wenn man auch diese Optionen auf dem Radar hat und nutzt. Wenn es allerdings umfassender als 140 Zeichen sein soll, dann ist die Email immer noch der klassische Weg.

Hälst du daneben Konferenzen für eine geeignete Möglichkeit?

Das ist wieder eine Frage der Ernsthaftigkeit, wie stark sich Unternehmen im Online-Bereich etablieren möchten und den Kontakt suchen. Auf Barcamps, auf der re:publica oder auch auf anderen Themenkonferenzen kann es extrem erhellend und interessant sein sich als Kommunikationsbeauftragter eines Unternehmens dort rumzudrücken. Es spricht für die Offenheit eines Unternehmens so offen den Weg nach draußen zu suchen, um mit den Leuten in Kontakt zu kommen. Außerdem ist es sehr viel angenehmer, wenn man die Blogger und Kontakte das erste Mal beim Kaffee oder beim Bier kennenlernt, um locker ins Gespräch zu kommen und später zu sagen: Lass uns mal in Kontakt bleiben. Das macht die Unternehmen sehr menschlich. Diese persönliche Ebene der Kommunikation zu erreichen ist fast immer ein Hauptgewinn.

Konferenzen und das „Real Life“ sind also definitiv auch Orte, wo der Kontakt gesucht werden sollte, wenn man diesen Aufwand fahren möchte. Das hängt allerdings auch vom Unternehmen ab. Wenn ich das als offizieller Sprecher oder Kommunikationsbeauftragter immer wieder aus eigener Tasche und in meiner Freizeit losziehen muss, so ist die Motivation überschaubar, nochmals ein freies Wochenende dafür zu opfern, um durch halb Deutschland zu fahren und mit Leuten in Kontakt zu kommen. Dieser Mehraufwand muss berücksichtigt und honoriert werden.

Wie sollten Unternehmen auf Kritik in Blogbeiträgen reagieren?

Definitiv niemals, wirklich niemals sagen „Mach das weg!“ oder „Lösch‘ das, sonst …!“. Das funktioniert absolut nicht und hat immer den gegenteiligen Effekt. Barbara Streisand lässt grüßen. Lieber erst einmal sagen: „Okay, Danke. Wir haben wahrgenommen, was du geschrieben hast, und setzen uns damit auseinander.“ Wenn man für den Dialog und den Austausch offen ist, dann kann man auch anbieten, noch einmal darüber zu reden. Ob das dann per Mail, per Telefon, per persönlichen Gespräch oder sonstwie stattfindet, ist fast egal. Wichtig ist, die Offenheit zu zeigen und zu akzeptieren, dass Kritik dazugehört und diese auch angenommen werden will. Das ist ein extrem großer und wichtiger Schritt für Unternehmen. Auch gegenüber der Online-Community und in ihrer Wahrnehmung. Es hat noch nie etwas gebracht Kritik und den Kritisierenden zu ignorieren. Das bringt niemanden weiter. Wenn es konstruktive Kritik ist, dann sollte man sie erst recht annehmen und auch den Anstand und Respekt gegenüber dem Autoren zeigen, dass er sich mit dem Unternehmen intensiv auseinander gesetzt hat.

Wichtig im Aufgreifen dieser Kritik ist klar zu sagen, wer man ist, Transparenz zu zeigen. Dass man es wahrgenommen hat und dass man darauf eingehen möchte. Für viele Blogger ist es schon ein guter Schritt nach vorne und ein Erfolgserlebnis, wenn sie feststellen, dass sie mit ihrer Kritik auf offene Ohren stoßen oder überhaupt wahrgenommen werden. Wenn ich als Unternehmen mit einem guten Monitoring feststelle, dass sich ein Beitrag mit mir auseinander setzt, kann ich mich dort auch melden. Wenn ich eine Beschwerdehotline habe, dann gehe ich ja auch ans Telefon, anstatt es einfach nur auf ewig klingeln zu lassen.

Ein Ausblick in die Zukunft: Wie werden sich Blogger Relations in Deutschland entwickeln?

Ich würde immer so gerne sagen: Schaut mal einfach nach Amerika und zwei, drei Jahre später hat man diesen Status von heute bei uns. Blogs sind in Deutschland aktuell dabei, den Graben der technischen Adaption wie auch gesellschaftlichen Relevanz zu überwinden. Hin, von den Early Adoptern, zur Early Majority, sodass Leute darauf aufmerksam werden, dass Blogs tatsächlich mit mehr und tiefergehenden Informationen ein guter Sidekick zu klassischen Medienangeboten sein können. In den Mainstream werden es Blogs so schnell aber nicht schaffen, dafür sind wir noch nicht weit genug. Das wird noch ein paar Jahre dauern, bis Blogs in der wirklichen Mitte der Gesellschaft ankommen. Entsprechend hängen auch die Blogger Relations daran. Man wird von Unternehmensseite aus mehr und mehr dahingehen Blogs Relevanz zuzusprechen, da es einfach langlebiger ist.

Ein Update auf Facebook ist per se nicht auffindbar und Tweets rauschen so schnell durch, dass man bei einer Halbwertszeit von zwei bis drei Minuten von Glück sprechen kann, wenn man sie in der allgemeinen Suche wiederfindet. Ein Blogpost hingegen kann quasi ewig gefunden werden. Deswegen werden die Unternehmen definitiv auf Blogger Relations achten. Sie müssen es schaffen aus einem Fan einen Advokaten zu machen, der sich für das Unternehmen einsetzt und sich auch in einem Krisenfall, falls er auftauchen sollte, vor ein Unternehmen stellt und nicht draufhaut.

Vielen Dank für das Interview!

Bildquelle: g0dhasblessedme.tumblr.com

15 Kommentare

  1. Schöne Darstellung Daniel, was ich noch aus meiner Sicht ergänzen würde: Auf Basis Deiner Unterscheidung von Bloggern und „klassischen“ Medien gehe ich davon aus (leider fehlt mir noch eine empirische Grundlage, erinnere mich aber an eine kürzlich initiierte andere Bachelor-Arbeit), dass Blogger von vielen Lesern als glaubwürdiger eingeschätzt werden, als „traditionelle“ Journalisten (denen oftmals die Persönlichkeit und „Authentizität“ fehlt). Ein Blogger wird gefühlt als „Kumpel von nebenan“ wahrgenommen, der über seine Leidenschaft schreibt und Produkte, Sachverhalte aus seiner Sicht beurteilt und nicht „käuflich“ ist. Das macht für mich den entscheidenden Reiz von Blogger Relations in der Kommunikation aus. Gleichzeitig bedeutet das für sich professionalisierende Blogger ein Problem: Je mehr sie mit ihrem Hobby Geld verdienen wollen z. B. durch Anzeigen etc. (was ich für absolut legitim halte), desto mehr gleichen sie sich dem klassischen Journalismus an.

    1. Hervorragender Einwurf, Greg. Danke dafür!

      Der Aspekt der Authentizität und des verstärkten Einbringens der Persönlichkeit durch das vermeintliche non-professionelle Schreiben als Blogger in Relation zum „Schreiben gegen Geld“ bei Journalisten ist in der Tat eine besondere Triebfeder in der Wahrnehmung wie auch Entwicklung der Blogosphäre.

      Aber – und dieser Ansatz tauchte auch im heutigen Beitrag beim PR-Blogger zu Modemarken im Social Web und den modebegeisterten Bloggern (http://pr-blogger.de/2012/07/09/modemarken-sammeln-freunde/) auf – dafür müssen Blogs auch als solche erkannt werden, um das „Kumpel von nebenan“-Gefühl überhaupt erst erzeugen zu können. Gut gestaltete Themes sind schon wieder dermaßen professionell aufgezogen, als dass das ungeübte Auge kaum zu erkennen vermag, ob er ein journalistisch-professionelles oder aber amateurhaftes Medium vor sich hat (Amateur im positiven Sinne von „unbezahlter Liebhaberei“). Denn das ist ebenfalls eine Folge der zunehmenden Professionalisierung des Bloggens. Die Trennlinie verschwimmt zusehends und macht eine klare Unterscheidung seltener möglich, was sich unter anderem dann auch wieder in den Umfragewerten der ARD/ZDF-Onlinestudie und Co. niederschlägt und somit die eigentliche Zuordnung erschwert.

  2. Da steckt die Frage dahinter, was sind Blogs und was Online-„Zeitungen“? Nur die chronologische Darstellung von Beiträgen und die Kommentarfunktion kann es ja nicht sein… Der persönliche Touch des Autors macht meines Erachtens das CMS zum Blog. Bestes Beispiel ist und bleibt Caschy 🙂

    1. Exakt. Aber wie ließe sich das wieder auseinandernehmen? Kann bzw. will man Blogs und Online-„Zeitungen“ oder auch Netztagebücher so problemlos unterscheiden, wenn die Autoren in beiden Fällen zu einem Medium bzw. Sender wie auch gleichermaßen Empfänger werden?

      Wenn du zum Beispiel mit Caschy aufwartest und ich mit Anke Gröner dagegenhalte, die keine Kommentarfunktion zulässt, obwohl bei ihr ein bekanntermaßen elementares Charakteristikum fehlt, das durch ihren persönlichen Touch aber kaum vermisst wird, dann reden wir immer noch von Blogs. Die technische Komponente ist das eine, die persönliche das andere. Das alles trotz aller Verschiedenheiten dennoch zum gleichen Stamm gehörend zu verstehen, das ist der Trick wie auch Fallstrick daran.

      [Uh, das wird noch eine richtig spannende Diskussion, glaube ich] 🙂

  3. Stark! Wäre dieser Beitrag ein Gemälde, würde man sagen: „Ein echter Daniel“. Danke dafür.

  4. Marcel Schöne · · Antworten

    Ein sehr inspirierendes Interview. Gute Blogger Relations / Online Relations sind dann auch immer Hand- und viel Fleissarbeit, die sehr individuell ist und sich kaum automatisieren lassen. Wie stehst du zu speziellen PR-Events, zum Beispiel zum Launch eines neuen PKWs, oder Werksführungen, wo man gezielt Blogger einlädt. Kann es zum Beispiel zielführend sein, auf einem Messestand in einem speziellen Bereich Bloggern Infrakstrutur, technisches Equipment und Informationen zur Verfügung zu stellen und sie so zu integrieren? Beispielweise auf der Cebit oder der IFA?

    1. Was spezielle Events betrifft, so spricht meiner Meinung nach nichts dagegen, solange Unternehmen wie auch die eingeladenen Blogger transparent bleiben und aufzeigen, was für diese oder jene Einladung bzw. Gefälligkeit im Gegenzug geliefert respektive erwartet wurde.

      Übernommene Fahrt- und Hotelkosten sollten im Grunde selbstverständlich sein, sind es aber nicht. Muss ich mich als Blogger dann bei einer bezahlten Rechnung derart gebauchpinselt fühlen, dass ich einen positiveren Bericht schreibe? Ein solches Entgegenkommen hinterlässt immer Spuren, die sich dann in der einen oder anderen Formulierung niederschlagen können. Dessen müssen sich alle klar sein. Beim Spiel mit offenen Karten verliert man allerdings weniger, falls sich jemand darüber mockieren mag.

      Zum tatsächlichen Wert einer solchen (imagefördernden) Maßnahme wie Blogger-Touren und Co. kann ich nur sagen, dass es sehr hilft, um Kontakte zu knüpfen und Verständnis zu schaffen. Man kann Einblicke liefern, die es dem Blogger ermöglichen Zusammenhänge besser zu verstehen und somit auch seine Kenntnis erweitern wie auch Meinung bilden zu können. Wenn ich weiß, dass Blogger für meine Branche ähnlich einflussreich sind wie Journalisten, warum sollte ich dann nur explizite Presse-Touren pflegen?

      Stichwort Blogger Area bei Messen: Wenn die finanziellen wie (infra-)strukturellen Möglichkeiten bestehen, dann sollte man das machen. WLAN, separate Sitzmöglichkeiten für ruhiges Arbeiten, Infomaterial in digitaler wie auch analoger Form, Zugriff auf eine Mikropage mit Bildmaterial etc. sind unglaublich wirksame Goodies, um Bloggern die Arbeit zu erleichtern und den Kontakt zu verbessern. Je leichter es gemacht wird gute Arbeit zeitnah liefern zu können, von der ich profitieren kann, wieso dann diese Option verwehren? Warum sollten nur Journalisten bevorzugt behandelt werden, wenn ich, wie gesagt, auch über Blogs meine Ziele erreichen oder zumindest untermauern kann?

      Messen wie IFA und CeBit oder auch die Fashion Week in Berlin leben mittlerweile auch stark von den Berichterstattern des Webs, die nicht für die großen Blätter und Medienseiten unterwegs sind. Im Grunde sind es doch die gleichen Inhalte, die Journalisten ebenfalls für ihr Tun brauchen. Faktisch schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe. Wenn das Budget also vorhanden sein sollte und man zum Beispiel durch Einladung von Bloggern weiß, dass sie ebenfalls da sein werden, dann kann man ihnen auch unter die Arme greifen und Zugriff auf diese Boni gewähren.

  5. Schöne Zusammenfassung! Im Zusammenhang mit Blogger / Online Relations im wissenschaftlichen Kontext lohnt immer auch ein Blick auf die Theorie Sozialer Netzwerke (damit sind nicht Soziale Medien wie Facebook gemeint, sondern ein schon viel länger existierender soziologischer Terminus) und speziell die Arbeiten von Mark Granovetter. Außerdem interessant für die Diskussion über Blogger / Online Relations: Soziales Kapital (Pierre Bourdieu) und Sozial Kapital im Bezug auf Soziale Netzwerke (Nan Lin). Hatte mich vor kurzem mal damit intensiver beschäftigt und mir zum Thema Beziehungskonto 2.0 Gedanken gemacht. Vielleicht sind die Ansätze ja für irgendjemanden von Interesse.

  6. Schönes Interview. Sehe ich genauso, bis auf den Punkt, dass sich Blogger Relations doch gut in die klassische Pressearbeit einbetten lassen. Da muss nur eine andere Denke, Sprache und Herangehensweise her. Funktioniert aus meiner Erfahrung bestens. Hier kommt der persönliche Faktor zum Tragen, das Gespür des Unternehmensmenschen. Letztendlich stützt das meine Argument, warum die Stabsstelle für Social Media in der Kommunikation oder direkt unter dem Geschäftsführer angesiedelt sein sollte.

  7. Sehr ausführliches und lesenswertes Interview. Vielen Dank an die Fragestellerin und Dich als Antwortenden. Ich frag mich ja immer wieder, wann Du dies alles machst, Du die Zeit für all Deine Aktivitäten findest… 🙂

    Zu Frage 3 bzw. einem Teil Deiner Antwort muss ich nachhaken. Du sagst/schreibst:

    Blogger schreiben eher selten für Geld respektive einen Betrag, den man als angemessene Bezahlung verstehen könnte. Sie haben alle einen regulären Job und nehmen sich für ihre Leidenschaft Blogging die dafür nötige Zeit.

    Dies mag – im Moment – in der Masse zutreffen. Ich glaube (und hoffe es auch), dass in dieser Hinsicht auch noch etwas passiert und Blogging zumindest teilweise eine Professionalisierung erfährt. Natürlich ist dies u.a. auch immer eine Frage von Reichweite um am Ende des Monats davon die Miete zahlen zu können. Gegen einen professionellen Blogger, also jmd. der eben keinen anderen Job hat sondern einfach Blogger ist, spricht mAn nichts. Derzeit gibt es davon nicht viele, mit steigendem Ansehen von Blogs im allgemein Gesellschaftlichen könnte sich dies jedoch auch ändern.

    Wie siehst Du das? Verliert jmd. dessen „Job“ es ist, zu bloggen, an Glaubwürdigkeit? Schreibt derjenige dann anders bzw. muss man als Leser davon ausgehen, dass die Meinung des Bloggers gekauft ist bzw. gekauft sein könnte?

    1. So sehr ich mir eine Professionalisierung wünsche, Steve, es wird wohl noch mindestens zwei bis drei Jahre dauern, ehe man hierzulande sagen kann „Ich bin Blogger“, ohne schräg angeguckt zu werden.

      Die Glaubwürdigkeit eines professionellen Bloggers würde de facto aber immer daran hängen, welchen Weg er beschritten hat, um an diesen Punkt zu kommen, sich mit dem „ins Netz publizieren“ seinen Unterhalt zu verdienen. Wenn ich mir die Entwicklung von Richard Gutjahr ansehe, dann würde ich seine Integrität nicht in Frage stellen (unabhängig von seinem journalistischen Hintergrund). Jemand, der sich auf Kosten von übermäßigen Anzeigen und rein SEO-basierten Texten nach oben gearbeitet hat, um dem Finanziellen schneller entgegenzustreben, müsste sich größerer Argwohn ausgesetzt sehen, wenn auf einmal Produkttests und Co. auftauchen.

      Für alles andere gibt es immer noch den Disclosure, der allen Beteiligten die Option gibt transparent zu kommunizieren wer man ist, vor welchen Hintergründen man agiert und wie die Rahmenbedingungen aussehen.

      1. Danke für Deine Antwort, Daniel. 🙂

        Das mit dem schräg angeschaut werden finde ich gar nicht mal so schlimm. Mich persönlich würde dies nicht arg stören. 🙂 Viele Menschen, die tun was sie lieben und dies aus tiefsten Herzen, werden oftmals schräg angeschaut,. 🙂

        Ok, Richard ist ja vornehmlich schon noch Journalsit und nicht hauptberuflich Blogger. Wenngleich er durch sein Blogging einem bereiteren Publikum bekannt wurde.

        Ich komme u.a. deswegen auf die Frage, da es bei Rob in den Kommentaren kürzlich Unterstellungen gab, er müsse doch etwas für seinen Post bekommen haben, da dieser eben einfach überwiegend positiv ausfiel.

        Einen Disclosure setzen wenn entsprechende Leistungen – gleich welcher Art – geflossen sind, gehört mAn als selbstverständlich dazu. Die Denke hierzulande, dass man „geschmiert sein müsse, weil mal eben mal positiv über etwas berichtet irritiert mich. Wenn ich nix preiszugeben habe, kann ich ja auch keinen Disclosure setzen und bekomme dann ggfs. trotzdem unterstellt „gekauft“ zu sein. Wirklich als authentisch werden offenbar nur Rants angesehen… :/

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