2013 wird … ja was eigentlich?

blickwinkel

Wie 2013 wird? Das erkennen wir erst rückblickend, wenn wir wissen, ob der Blickwinkel der Richtige war.
Bild via Instagram @danielrehn_

 

Immer zum Jahresende kommen die „Im neuen Jahr wird alles anders“-Blogposts um die Ecke. Ich mag diese Aufbruchstimmung. Sehr sogar. Manchmal verfalle ich selbst in diese Euphorie, die dem Zauber eines Anfangs inne wohnt. Das Alte hinter sich lassen, das in der Nacht des 31.12. mit viel Schießpulver erst in die Luft gejagt und davor wie danach mit Alkohol in die vollkommene Vergessenheit gespült wird. Man könnte bei Null anfangen. Die Vorstellung hat einfach was.

Der alte Wein im neuen Schlauch ist der abgestandene Saft, in dem wir schmoren

Bezüglich des Bloggens geht gerade so eine Vorstellung durch die „Szene“, die vom erneuten Aufbruch zu neuen, altbekannten Ufern kündet. Johnny hat sie drüben bei Spreeblick aufgezeigt. Ich schätze das sehr, denn er versteht es so manchen mit seiner klaren Ansage zu begeistern. Und ich glaube tatsächlich, dass der Januar ein guter Monat für Blogs in Deutschland werden wird. Man nimmt sich jetzt viel vor. Die Liste der guten Vorsätze ist nämlich lang. Aber ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass die meisten ihren Plänen schon ab KW 4 in die Parade fahren wie Paulo Guerrero dem guten Sven Ulreich.

Denn – und das hat Frank wunderbar festgehalten – „im Moment schmoren wir im eigenen Saft“, den Sascha Lobo mit seiner SpOn-Kolumne sowie seinem Vortrag schon vor nunmehr fast acht Monaten aufgesetzt hat. Acht Monate! Das ist in Netzzeitrechnung ungefähr … naja, auf jeden Fall verdammt viel. Tanja hat sich schon vor eineinhalb Jahren darüber geärgert, dass wir uns mehr und mehr den Netzwerken zuwandten und Diskussionen ausfransen ließen, die überall, aber nicht am Ursprung des Ganzen, unter dem Blogpost, geführt wurden, will sich aber auch an der „Rückeroberung“ beteiligen. So, wie viele andere auch. Aber … Acht Monate. Eineinhalb Jahre. Ganz nüchtern betrachtet, was hat sich seitdem denn getan? Kam da was? Ich glaube nicht. Im Gegenteil. Die Kommentarkultur in der deutschen Blogosphäre hat nicht nur zuletzt stark gelitten, ohne es an einem bestimmten Datum festzumachen.

Euphorie hat die Halbwertzeit eines Updates auf Facebook und Co.

Nein, ich mache jetzt nicht das „die sozialen Netzwerke haben aus der Kommentar- und Beteiligungskultur eine Like- und Sharing-Kultur gemacht“-Fass auf. Das wäre zu einfach wie naheliegend. Wir haben uns ganz einfach mit dem Lauf der Zeit daran gewöhnt alles in den kleinen, schnellen Happen zu konsumieren, die uns Updates hüben wie drüben ermöglichen. Das ist so. Wir lassen uns darauf ein und verändern mit den entsprechenden Medienangeboten unsere Handhabe gegenüber Informationen, Inhalten und Gedankengängen. Die Zyklen, in denen wir uns begeistern lassen, werden kürzer, sind dafür aber häufiger. Das hat einen gewissen Charme, aber jeder, der länger an einer Idee festhält, muss sich irgendwann mit Bremsen auseinandersetzen.

Unter den Kommentaren zu Claus‘ „Macht geile kleine Blogs auf!“ prangt als letzter Einwurf ein Kommentar, der fragt, ob wir denn wirklich etwas zu sagen haben, statt nur ins Netz hineinzusprechen, ehe noch ein Blog durch fehlende Inhalte den Weg alles Digitalen geht (unberührt stehen bleiben, nicht vergehend). Ich selbst war ja über die Maßen euphorisch, als ich Anfang Mai aus Berlin zurückkam. Ich sprach von einer Renaissance des Bloggens. Klang super, brachte viele Kommentare, noch mehr Aufmerksamkeit. Das war schmeichelhaft, aber meine Posting-Frequenz ist trotzdem nicht durch die Decke geschossen. Der Alltag holt einen immer wieder ein. Vor allem, wenn die Bleikugel Gewohnheit an dir hängt.

Die Dinge ändern sich nicht im Laufe eines bestimmten Kalenderjahres

Dann gibt es wieder die kleinen Highlights, wenn ein Artikel mal richtig knallt und alle zustimmend nicken, den Kopf schütteln und selber in die Tasten hauen (siehe all die Beispiele, die ich in diesen Zeilen verlinke). Oder wenn lang vermisste Blogger ein Comeback starten, wie es Sachar tat (was mich immer noch tierisch freut). Dann merken wir, dass Blogs immer noch ein ganz tolles Medium sind, um den Dingen eine Langfristigkeit zu geben, die in der Flüchtigkeit der Netzwerke einfach nicht gegeben ist. Aber dummerweise sind wir es als das eine Prozent der Nielsen’schen Rechnung, die sich nach in einen Artikel investierter Zeit und Mühe dann achteinhalb meckernden der neun interagierenden Prozent gegenüber sehen. Jürgen hat ein ebenso viel beachtetes Stück dazu verfasst, das in seiner Botschaft an anderer Stelle nochmals durch Lobo als Kolumne seine Runde durch unsere Reihen machte. Das zermürbt.

Noch mehr zermürbt es aber, wenn man realisiert, dass wir heute Blog-Diskussionen führen, die schon vor zehn Jahren auf den Teller kamen. Sollten Unternehmen bloggen? Wie geht man mit Feedback um? Wer ist überhaupt verantwortlich? Ich übertreibe jetzt bewusst maßlos, aber in den letzten zehn Jahren hat sich die Frage der Zuständigkeit für „diese neue Online-Kommunikation“ mit der Rotationsgeschwindigkeit des Mondes weitergedreht, sonst wären wir schon weiter als etwa über den Dreisprung von Online-PR zu Online-Kommunikation zu Kommunikation zu diskutieren. Auch diese Gedankengänge schätze ich sehr, aber solange Gedanken im Kopf bleiben oder nur niedergeschrieben sind, werden sie keine Taten. In der Antike konnte Wahrheit nur durch Kommunikation in Form der Rede und Gegenrede entstehen. Davor war sie einfach nur abstrakt und nicht greifbar, da nicht erlebbar. Ähnlich verhält es sich, so scheint mir, mit dem nächsten Schritt unserer Überlegungen. Wir sprechen und schreiben darüber, aber es fehlt die Konsequenz. Ich lasse das jetzt einfach mal provokant so stehen, obgleich ich weiß, dass wir immer erst rückblickend feststellen werden, wann sich die Dinge tatsächlich weiterentwickelt haben.

2013 wird …

Also, was wird 2013 nun eigentlich? Das Jahr der Rückeroberung des Netzes, während Facebook gleichermaßen bis Ende 2013 wohl die 1,5 Milliarden knackt, Twitter sich mit dem Abkapseln seiner API mehr und mehr einigelt und irgendwo da draußen das nächste große Ding auf seinen Durchbruch wartet, das wir dann auf dem Second Screen feiern, während das TV-Programm wegnickt und Print für uns Digitalos gar keine Rolle mehr spielt, die meisten unserer weniger netzaffinen Mitmenschen in Panik um AGB und Massenmedienmeldungen den Unterschied zwischen privat und persönlich aber immer noch nicht auf die Kette kriegen?

Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung. Es gibt so viele Trends und Vorhersagen, auf die man achten kann, aber nicht muss. Dafür verändert sich alles nach wie vor viel zu zügig, um Stand jetzt die komplette Bedeutung für uns als ewig Vorauseilende und die Nachzügler einordnen zu können. Frank meinte, abschließend zu seinen Ausführungen, dass es uns vielleicht gelingen könnte den KRS-Internetnutzern (Konto, Reise, SpOn – Danke für den tollen Begriff!) zu zeigen, dass nicht alles, was wir tun, nur für Techniknerds attraktiv sein muss. Das finde ich erstrebenswert.

Mein Wunsch: Mehr Coach statt Oberlehrer sein

Wenn ich trotz allem einen Wunsch an das Web-2013 richten könnte, dann, dass wir einander mehr an die Hand nehmen und uns die Zeit nehmen, uns zusammenzusetzen, zu erklären und Verständnis aufzubauen. So erobern wir das Netz nämlich wirklich.

5 Kommentare

  1. Ich fang mal an und geb gleich nach meinem Like ein Kommentar dazu. Aber heut erst mal kurz, ich Poker grad, Startgeld fürs neue Jahr zum bloggen 😉
    Hoffe auf uns alle, dass wir mit mehr bloggen die Netzkultur Stück für Stück auf nen Stand bringen, die wir uns selbst wünschen.
    Danke für deine breitgefächerten Artikel und Posts

  2. Warum fehlt denn die Konsequenz? Warum schafft das niemand (oder kaum jemand)? Weil es viel Arbeit ist. Und weil es oft nur in den Themenblogs machbar ist, in Nischen, da, wo sich jemand spezialisiert hat. Die Generalisten und (Berater-)Generalisten müssen sich schwer tun, denn derzeit beschreiben alle nur eins: Veränderung. Und das schon beständig 🙂

    Vielleicht müssen wir die Ziele nicht immer so hoch hängen. Und welche Ziele überhaupt? Jeder hat ganz andere Ziele, die er mit seinem Blog erreichen will. Die Qualität, da bin ich sicher, wird sich auf lange Sicht durchsetzen. Also schön weiterbloggen….

  3. Schönes Posting. Ich bin eine der ehemaligen KRS-Internetnutzerinnen (obwohl, nö, eigentlich nie), die vor einem Jahr mit dem Bloggen begonnen hat, immer mehr Freude daran entwickelt hat und ohne gar nicht mehr sein möchte. Allerdings bin ich in meinem privaten Umfeld nur mit KRS-Internetnutzern umgeben, für die das „K“ allerdings schon eine Bedrohung ist. Die lesen aber sehr gern bei mir mit und den ersten Zwei konnte ich schon erklären, was ein Blog ist, wie das so funktioniert und siehe da… sie fangen auch an.
    In den Köpfen der meisten Menschen ist immer noch so eine Schranke. Blogger, das sind die Elitären, die Journalisten, die Investigativen. Diese Schranke muss fallen. Klar gibt es die (und viele davon „verfolge“ ich in meinem Reader), aber dann gibt es eben auch die so genannte „Hausfrauenmafia“ (diesen Begriff mag ich sehr, denn diese Mädels laufen mir zuhauf über den Weg).
    Und die breite Masse dazwischen, die gilt es anzusprechen. Und daran versuche ich mich mit meinen Gott-und-die-Welt-Themen, klar auch mit Banalitäten, aber mir macht es einen wahnsinnigen Spaß.

    Also: weiterschreiben, nicht beirren lassen. Das wird mein Jahr 2013

  4. […] doch einmal tief in die leere Kaffeetasse zu schauen: Was bringt das neue Jahr? Mein Bloggervorbild Daniel Rehn hatte bereits die Idee, seine Zeit nicht mit Rückblicken zu verplempern und wagte einen Ausblick […]

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